DIE IDEE UND IHRE GESCHICHTE
Warum? Wie kam es dazu? Wie es losging!
Die letzten Jahre kam berufs-, lebensphasens- und damit zeitbedingt der Sport viel zu kurz und die Konstitution insbesondere meines Oberkörpers war entsprechend. Aufgrund einer beruflichen Veränderung war von einem Tag auf den anderen körperliche Leistungsfähigkeit, insbesondere in Armen und Oberkörper notwendige Voraussetzung. Die Zeit zu trainieren war aber nach wie vor knapp. Dadurch begann ich zu überlegen, wie ich die Zeit die ich für mich hatte nutzen konnte, um mich körperlich auf Vordermann zu bringen. Mein täglicher Weg zur Arbeit bot sich an und ich suchte und fand diverse Konstruktionen für Allradfahrräder, die ich toll fand, aber mir aus diversen Gründen nicht zusagten.
Eines Tages fand ich einen alten Fahrradrahmen den ich kurzum an Tretlager und Kettenstreben ausschnitt und mal auf den Lenker meines MTBs hielt.
Ob das überhaupt fahrbar war? Würde es möglich sein am Lenker kurbeln und dennoch geradeaus fahren zu können? Eigentlich hatte ich alle notwendigen Teile gebraucht zu Hause herumliegen ...
Ich nahm die 5-Gang Sachs Pentasport Nabe und konnte sie in eine 28 Zoll Starrgabel (28 Zoll um der 26 Zoll MTB Rahmengeometrie für Federgabeln zu entsprechen) mit etwas Improvisation einbauen.
Der Rahmenaufbau musste auf dem Lenker angepasst und befestigt werden und benötigte eine 3. Stützstrebe die zudem längenverstellbar sein musste, was die meiste Arbeit darstellte. Das Schaltauge des zersägten Rahmens verwendete ich als Anbindung für ein Schaltwerk, das am Ausfallende der Gabel als Kettenspanner und -führung dient.
An den 175mm MTB-Kurbeln sind Pedale mit abgesägten Käfigen montiert über die ein geteiltes Lenkerrohr gelegt ist und Lenkergriffe drübergezogen sind.
Dass ich für den Freigang der 2 1/2 zusammengenieteten Ketten lediglich einen Bremssockel absägen musste war pures Glück und nach einem Tag und 2 Nächten basteln machte ich im November 2015 um Mitternacht beim ersten Schnee des Jahres die Jungfernfahrt! Es war angsteinflössend, aber auch herausfordernd.
Am nächsten Tag musste ich in die kleine Ortschaft Böbing im Münchner Süden, startete vom Weilheimer Bahnhof aus und experimentierte auf der Strecke mit einer Hand in verschiedenen Stellungen am Kurbeltrieb und mit der anderen stets am Lenker. Anfangs fuhr ich einige male fast in den Graben, aber es zeichnete sich ab, dass es funktionieren könnte. Bergauf war ich begeistert von der Performance die durch Zuhilfenahme der Arme möglich war. Dennoch war auch schnell klar, dass der limitierende Faktor immer noch Herz und Kreislauf sind :-)
Was garnicht ging war die Anfälligkeit der Lenkung auf Einflüsse von aussen. Fahbahnunebenheiten, Schlaglöcher, Randsteine, aber auch Wind konnten undefinierte Wackler verursachen. Deshalb montierte ich eine Feder mit der Waschmaschinentrommeln aufgehängt sind zwischen Unterrohr und Gabel, so dass die Lenkung aktiv in die Mittelstellung gezogen wurde. Nun war viel mehr Krafteinsatz möglich! Leider konnte, wie ich es in der Grundvorlesung Schwingungslehre gelernt hatte, ein gefedertes und ungedämpftes System in Resonanz kommen was bei ambitionierter Fahrt um eine Kurve und einer Windböe die von der Seite kam zum Sturz führte :-( .
Ein halbes Jahr grübelte ich immer wieder wie ich mit den bescheidenen, mir zur Verfügung stehenden Mitteln einen Lenkungsdämpfer entwickeln konnte, bis mir durch Zufall ein alter MTB Dämpfer in die Hände fiel. Mit Ratschlägen und Unterstützung freundlicher Arbeitskollegen der Fahrwerksabteilung (DANKE!) modifizierte ich das Innenleben, dass es nur auf Zug dämpfte, auf Druck hingegen minimal Widerstand bot. Die Druckfeder tauschte ich gegen zwei kleine Zugfedern aus die lediglich die Aufgabe hatten den Dämpfer in die Ausgangslage zurückzuziehen. Zuerst zwischen Vorbau und Oberrohr mit Ketten, in der Version 2 mit Stahlseilen zwischen Gabelscheiden und Sitzrohr (mit Tüllen ums Unterrohr geführt) montiert, wurde nun der Lenkausschlag (sogar einstellbar) gedämpft, der Rückweg zur Mitte blieb jedoch ungedämpft.
Das war ein Quantensprung in der Fahrbarkeit! Und abgesehen von dem Nachteil beim langsamen Fahren kleiner Kurven konnte ich mich nun auf das Fahren und Kurbeln an sich konzentrieren.
Über den Zeitraum von ein paar Monaten brach jedoch das Stahlseil der Dämpferanbindung Litze für Litze und das ungedämpfte Spiel der Lenkung um die Mitte wurde zunehmends größer, bis eines Tages das Seil absehbarerweise ganz abriss. Notgedrungen fuhr ich weiter und stellte fest, dass durch den langsamen Prozess der Vergrösserung des Spiels mein Körper gelernt hatte mit den Armen zu kurbeln ohne Unsicherheit beim Geradeausfahren zu haben. Wie ein Kind das Fahrradfahren lernt. Erst wacklig, dann immer sicherer. Somit habe ich durch Zufall auch ein Lernsystem entwickelt mit dem relativ gefahrlos das Fahren eines Allradfahrrades mit Frontantrieb erlernt werden kann.
Seitdem fahre ich ohne Lenkungsdämpfer. Vornehmlich in die Arbeit, bin damit aber auch schon auf Singletrails und kleinen Mountainbiketouren unterwegs gewesen.
Die Investition für das Projekt beschränkte sich auf ein paar wenige Teile, da ich das meiste bereits zu Hause hatte. Aber auch für einen Nachbau kann man die Kosten bei Verwendung von Gebrauchtteilen sicher unter 200€ halten, was denke ich gegenüber anderen Allradprojekten ein entscheidender Vorteil ist. Zumal der Frontantrieb auf ein vorhandenes Fahrrad montiert werden kann.
Fahren im Schnee macht richtig Spaß und gegenüber heckangetriebenen Bikes kommt man viel besser voran.